Freitag, 21. Mai 2010



Heute vor 9 Monaten und 8 Tagen kamen wir erschöpft in Quito am Flughafen an und wurden zu unseren Gastfamilien gebracht, die wir zuvor noch nie gesehen hatten. Es war alles neu für uns, das Land, das Klima, das Essen, die Menschen, die stinkenden Busse und auch die Eigenart der Busskassierer, die unermüdlich "a Quito, Quito, Quito" schrieen, obwohl eh jeder wusste, wohin es ging.
Jetzt können wir über letztere Kassierer nur lachen, die Menschen kennt man mit ihren ungenauen Wegbeschreibungen oder Zeitprognosen nun auch schon, der Reis bekommt man immer leichter runter und das Klima ist immer noch schön warm.
Wir haben uns also mehr oder weniger angepasst, haben uns an das Leben in Ecuador gewöhnt. Zum Bleiben hat es mich trotzdem nicht bewegt, die nächsten drei Monate werden sicherlich noch eine schöne Zeit, nur irgendwann will man dann doch wieder in den Genuss von Brezn und deutschem Brot kommen, man zieht den verkochten doch eher Nudeln "al dente" vor und auch Vorsichtsmaßnahmen in Quito - vor allem bei Dunkelheit - wird man wieder lockern können. Und nach einem Jahr endlich wieder Auto fahren.
Nun ja, bis dahin sind es nur noch weniger als drei Monate, ich will ein wenig von meinen letzten Erlebnissen erzählen und ein paar Pläne für die nähere Zukunft erläutern.


Wie ich schon im letzten Bericht erzählt habe, wurde die alte Guarderia von der Gemeinde geschlossen und ist für uns nun nicht mehr zugänglich. Wir sind nun für ein einhalb Monate in ein Übergangsgebäude gezogen, wo es kein fließendes Wasser, nur begrenzte Räumlichkeiten gibt und die Wände nur verputzt, nicht gestrichen sind. Man kann es den Kindern anmerken, dass sie von dem Rauswurf noch teilweise beeinflusst sind und es ihnen in diesem "kalten" Gebäude nicht gefällt. Oft erzählen sie mir, sie würden gerne in den alten Kindergarten zurück. Dem sportlichen Samir merkt man es an, dass es ihm an Platz mangelt und er viel lieber in das große Gebäude zurückwill. Durch den Wechsel sind es auch weniger Kinder geworden, durchschnittlich kommen etwa 10 Kinder weniger als zuvor. Das Unterrichten gestaltet sich schwieriger, da die Arbeitstische hier keinen Platz finden und so anstatt einzelner Arbeiten nun Gruppenarbeiten ausgeführt werden müssen, an denen nicht alle Kinder gleichzeitig teilnehmen können und so sehr viel mehr Unruhe entsteht. Man muss härter durchgreifen, aber auch das ist schon zur Routine geworden. Auf der anderen Seite ist Gruppenarbeit natürlich auch sehr wichtig für die Kinder, das trainiert Zusammenhalt.
Was gab es sonst noch so Neues in den letzten Wochen? Gut, Bayern München ist in das Finale der Champions League eingezogen und wird diesen Samstag in Madrid gegen Inter Mailand spielen. Das Spiel werden wir natürlich live ansehen, jedoch läuft es durch Zeitverschiebung mittags. Samstag sind wir in Canoa, dort werden wir es in Badehose in einer schönen Strandbar verfolgen.

Nun jetzt aber zu den passierten Ereignissen.

Am Wochenende nach Canoa blieb ich also erstmal zu Hause, half ein wenig beim Hausbau mit und schaute ein paar Mal bei der neuen Guarderia vorbei, wo auch gearbeitet wurde.

Anfangs sagte man mir, ich müsse umbedingt am Samstag mithelfen, als es dann soweit war, gab es für mich keine Arbeit mehr und ich durfte mich langweilen.

Und das ist das Manko an der ecuadorianischen Zeiteinteilung, ich nenne es absichtlich nicht Zeitplanung!

Es wirft seine eigenen Pläne auseinander. Nachmittags mussten wir dann noch umbedingt am Umzug meines Fußballvereins "Nuevos Horizontes Puembo" teilnehmen. Mein Gastvater meinte, in weniger als 2 Stunden seien wir wieder zurück. So machten wir uns um halb 11 Uhr morgens auf den Weg nach Puembo. Und ja, ihr habt es wahrscheinlich schon erraten, der "Plan" ging nicht auf. Der Umzug endete um sechs Uhr abends, wir verließen ihn jedoch schon zwei Stunden früher. Das ist echt nervig, wenn man seine Zeit so totschlägt. Deshalb sind Fridtjof und ich Sonntag nach Quito gefahren, um uns im Quicentro, einem Einkaufszentrum, über die Flüge für Peru und Kolumbien zu informieren. Wir erhielten ein Spitzenangebot, das wir zwei Tage später auch erwarben. Nachmittags trafen wir uns mit Max und seinem Gastbruder, Niko und Fridtjofs Gastbruder Daniel in Quito, wo wir zusammen ein paar Stunden Paintball spielen gingen.

Das war echt sehr unterhaltsam, doch danach spürte man seine Knochen, da es ja nicht ganz ohne ist.

Unter der Woche gibt es immer noch Arbeit, Sprachkurs, Fußballprojekt, Kickboxen und das ein oder andere Skype-Gespräch in die Heimat.

Die Tage vergehen sehr schnell und man wünscht sich einerseits, dass sie schneller vergehen mögen, um endlich zu Hause zu sein, andererseits will man die letzten Monate und Wochen doch noch genießen.

Um letzteren Wunsch nachzugehen, fuhren wir am Freitag, den 30. April nach Tena, einer Kleinstadt an der Grenze zwischen Anden und Dschungel. Von dort aus fuhren wir am Samstag weiter nach Misualli, ein kleines Dörfchen am Rio Napo.

Dort lief uns immer mal wieder ein Affe über den Weg und nachdem wir eine Unterkunft gefunden hatten, sahen wir uns am späten Nachmittag einen Hahnenkampf an. Das ist wirklich tiefste südamerikanische Kultur, es wird gewettet, geschrieen, getrunken, geraucht und mit jeder Stunde steigt Stimmung sowie Wetteinsätze.

Der Kampf der Hähne an sich ist nicht sehr spannend, das Interessante dabei ist das Wetten. Wir probierten es nur einmal aus, aber nachdem die 10 Minuten und 10 Sekunden abgelaufen waren, standen beide Hähne noch und somit war es auf Remis entschieden.

Nach Sonnenuntergang fingen dann auch schon die "Fiestas de Misualli" an und wir gingen auf den Hauptplatz, wo eine Live-Band spielte und sich eine große Menschenmenge vergnügte. Sonntag standen wir früh auf, da wir um 8 Uhr morgens schon von der Rafting-Organisation abgeholt wurden wir über Tena weiter in die tropischen Ausläufer der Anden fuhren.

Etwa eine halbe Stunde von Tena entfernt starteten wir unsere Tour. Anfangs waren die Stromschnellen auf dem Rio Jatunyacu noch moderat, mit der Zeit wurden sie jedoch aggressiver, sodass immer wieder mal jemand aus dem Boot flog.

Und wenn er nicht runterfliegen wollte, halfen wir nach. Mittags gab es dann Tacos mit den verschiedensten Beilagen, Früchte und Getränke und wir ruhten uns ein wenig aus.

Dann ging es weiter durch die tosenden Gewässer des Rio Jatunyacu, der schließlich in den Rio Tena mündete. Kurz vor Ende hielten wir noch einmal an und unser Führer zeigte uns eine Spalte zwischen den Felsen, wo ein kleiner Ruhepool auf uns wartete. Es war ein wunderschönes Stück Dschungel mit hohen Bäumen, einem plätschernden Flüsschen und beeindruckender Vegetation. Unser Guide bemalte uns im Gesicht mit verschiedenfarbigen Erdtypen und so erhielten wir eine schreckenseinflößende "Kriegsbemalung".

Das war auf jeden Fall ein tolles Erlebnis, kann ich nur weiterempfehlen, besonders für die Lachmuskeln!

Dienstag, den 4. Mai, feierten wir den Geburtstag meines Gastbruders Juan Carlos und am Mittwoch startete ich mein Trainingsprogramm für den 15 Kilometer-Lauf in Quito (13. Juni 2010), ich lief nach Collaqui und zurück nach La Morita, was etwa 13 km sind. Am Donnerstag hatten wir den "Dia de la madre" - Muttertag - im Projekt und ich sang mit den Kindern für ihre Mütter ein zuvor einstudiertes Lied. Außerdem schenkten ihnen die Kinder Blumen und selbstgebastelte Kronen.

Für das Wochenende vom 8./9. Mai hatten wir geplant in die Anden zum Forellenangeln zu fahren. Samstag brachen wir mit Max' Gastvater und ein paar anderen Freiwilligen in der Früh um sechs Uhr auf und taten gut daran unsere Regensachen mitgenommen zu haben.

Denn es regnete ohne Unterlass und die Forellen wollten trotzdem nicht so richtig beissen. Nachdem wir drei Stunden im Regen standen waren wir klitschnass und wir hatten gerade mal drei Forellen gefangen.

Es war saukalt und wir fuhren weiter nach Oyacachi, wo es glücklicherweise heiße Quellen gab.

Das war unsere Rettung, nach einer Stunde aufwärmen fühlten wir uns wie neugeboren und da es nicht aufhören wollte zu regnen, beschlossen wir heimzufahren, da es kein Sinn machte hier zu campen.

Wir kauften noch ein paar Forellen, die wir dann Sonntag mittag bei Max grillten.


Letzten Sonntag bin ich mit meinem 6-jährigen Gastenkel Christopher und Florestan zum Teleferico gefahren, eine Seilbahn, die Quito mit einem auf 4100 m gelegenen Aussichtspunkt verbindet.

Als wir hochfuhren, konnte man Christophers Angst anfangs noch spüren, er krallte sich mit den Händen in unsere Oberschenkel und war ganz still. Nach einigen Minuten löste sich seine Anspannung jedoch und er konnte wieder lachen.

Oben angekommen bot sich uns eine unglaublich Aussicht über ganz Quito, das Tumbaco-Tal sowie viele Gipfel der Anden, unter ihnen auch die schneebedeckten Gipfel des Cayambes, Antisanas sowie Cotopaxis.

Im Dunst der Wolken konnte man im Süden den weißen Gipfel des höchsten Berges Ecuadors erkennen, des Chimborazos.

Wir wanderten in der erfrischenden Höhenluft ein wenig umher und ein wenig später fuhren wir wieder herunter, wo der Vulquano-Parque, ein Freizeitpark, auf uns wartete. Als nachträgliches Geburtstagsgeschenk ließ ich Christopher zusätzlich noch ein paar Fahrgeschäfte fahren. Nach einer Kletterburg, Auto-Scooter, Jeepfahren und dem Flugzeugkarussel fuhren wir dann heim, ich sogar sehr erschöpft. Aber es hat sich gelohnt, es hat sehr viel Spaß gemacht und ich denke für Christopher war es ein einmaliges Erlebnis.

Letzten Dienstag hatten wir mit unserem Projekt eine Exkursion zum Club Auto San Francisco, ein Minitaturpark mit Straßen, Ampeln und Verkehrsschildern,wo die Kinder mit Verkehrsregeln vertraut gemacht wurden und sie diese dann auch auf die Probe stellen durften. Mit Kettcars durften die Kinder fahren, sich als Verkehrspolizist oder Taxifahrer verkleiden, um am Verkehr teilzunehmen. Das war sicherlich interessant und hilfreich für die Kinder, mit denen wir zuletzt den Zebrastreifen und die Ampel durchgenommen hatten.

Dieses Wochenende werden wir an die Küste nach Canoa fahren, um wieder unsere Surfkenntnisse zu verbessern.

In der nächsten Zeit wird es mit dem Umzug der Guarderia auf jeden Fall genug Arbeit geben, nebenbei bewerbe ich mich für diverse Unis und am 11. Juni 2010 wird die Fußballweltmeisterschaft in Südafrika beginnen, sodass ich jeden Tag wegen Zeitverschiebung um 6:30 Uhr aufstehen muss.

13. Juni 15 km Lauf in Quito.

18. - 20. Juni Final Camp unserer Organisation VASE.

Außerdem wird meine Gastschwester Vicky in den nächsten Tagen ihr zweites Kind bekommen, gestern meinte sie, es wär schon fast soweit gewesen.

Und ja, fast hätt ichs vergessen, Mitte Juli wird mein Freund Michael mich besuchen kommen und wir werden ein wenig durch Ecuador reisen und dann am 2. Juli nach Peru und Kolumbien reisen.

Hier will ich euch noch das Video vom April zeigen:


Und herzlichen Glückwunsch an die Abiturienten zu Hause, die nun meines Wissens alle ihre schriftlichen Prüfungen beendet hätten dürfen.

Ich muss jetzt dann los zum Kickboxtraining nach Quito, also macht's gut und wir sehen uns dann im August!

Liebe Grüße
Andreas

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